Stereoskopisches Sehen (Stereosehen)
Unter stereoskopischem Sehen versteht man die Fähigkeit, mit beiden Augen einen räumlichen Seheindruck zu gewinnen. Dafür sind beide funktionstüchtigen Augen erforderlich. Das beidäugige Sehen wird auch als Binokularsehen beichnet. Wenn man nur mit einem Auge sehen kann, spricht man von Monokularsehen (Monovision).
Wenn man sich einen Sehstrahl durch die Mitte der Augenlinse vorstellt, der im Augeninneren exakt auf die Fovea (Ort des schärfsten Sehens) im Zentrum der Makula, der zentralen Region der Netzhaut, vorstellt, dann sind die Sehstrahlen der beiden Augen nicht parallel, sondern haben einen Schnittpunkt. Die folgende Grafik kann das veranschaulichen:
Idealerweise bewegen sich die Augen dabei synchron: bezogen auf eine gedachte Mittelachse, die exakt von dem anvisierten Objekt mittig zwischen den Augen verläuft, sind die Winkel der beiden Sehstraheln identisch. Je weiter das anvisierte Objekt entfernt ist, desto kleiner wird dieser Winkel.
Räumliches Sehen dank stereoskopischem Sehen
Jedes Auge nimmt die Information des gesehenen Gegenstandes separat auf - und zwar jeweils aus einem leicht veränderten Winkel. Schauen wir also zum Beispiel auf einen Ball, so sehen wir mit dem rechten Auge ein wenig mehr von der rechten Seite des Balles. Mit dem linken Auge sehen wir minimal mehr von der linken Seite.
Jedes Auge filtert die Informationen und sendet sie über den Sehnerv (Nervus opticus) ins Gehirn. Dort werden die beiden leicht verschiedenen Seheindrücke kombiniert: heraus kommt ein dreidimensionaler Eindruck.
Auf diesem Prinzip basieren auch 3D-Brillen, bei denen für jedes Auge ein separates Bild generiert wird.
Probleme mit dem stereoskopischen Sehen
Es gibt verschiedene Fehlsichtigkeiten, die eine Störung des stereoskopischen Sehens verursachen.
Anisometropie
Üblicherweise wird eine brechungsbasierte Fehlsichtigkeit mit einer Brille korrigiert. Wenn jedoch eine Auge kursichtig und das andere weitsichtig ist (sog. Anisometropie), werden die Bilder unterschiedlicher Größe ans Gehirn geliefert (eine Weitsicht-Brille vergrößert das Bild, eine Kurzsicht-Brille verkleinert das Bild, jeweils durch den Abstand des Brillenglases zum Auge). Diese sogenannte Aniseikonie erschwert es dem Gehirn, aus beiden Bildern ein einheitliches stereoskopisches Bild zu errechnen. In diesem Fall sind Kontaktlinsen besser als Sehhilfe geeignet.
Eine bestimmte Form der angeborenen oder durch eine Brillenglas- bzw. Kontaktlinsenkorrektur oder Operation (z. B. Grauer Star-Operation) herbeigeführten Anisometropie ermöglicht dem einen Auge, Gegenstände in der Nähe, und dem anderen, solche in der Ferne jeweils ohne Brille scharf sehen zu können. Dieses Phänomen ist unabhängig von Akkommodation und somit bis ins hohe Alter gegeben und wird auch als Monovision bezeichnet. Durch diesen Zustand ist oft kein vollständiges stereoskopisches Sehen möglich und wird somit u. U. als unerwünscht angesehen.
Die angeborene Form dieser Anisometropie lag z. B. auch bei Johann Wolfgang von Goethe vor und wird deshalb auch als Goetheblick bezeichnet.
Schielen
Auch beim Schielen kommt es zu einer Störung des stereoskopischen Sehens. Beim erworbenen Schielen ist es - anders als beim angeborenen Schielen - relativ einfach, dieses durch eine geeignete Prismenbrille zu korrigieren.
Winkelfehlsichtigkeit
Die Winkelfehlsichtigkeit ist ein latentes Schielen, dass weder der Betroffene noch sein Umfeld bemerkt. Diese Form der Fehlsichtigkeit ist nach wie vor wissenschaftlich umstritten, lässt sich jedoch bei vielen Menschen diagnostizieren. Man korrigiert eine Winkelfehlsichtigkeit ebenfalsl mit einer Prismenbrille.
3d nicht nur durch Stereosehen
Man kann zwei grundlegende Dinge unterscheiden, wenn es um das räumliche Sehen (Stereopsis) geht:
- das echte räumliche Sehen aufgrund von Stereosehen (so wie zuvor beschrieben)
- Sehen aufgrund von visueller Erfahrung.
Beim zweiten Punkt spielt die Erfahrung der Perspektive eine wichtige Rolle, z.B.
- entfernte Objekte sind im Verhältnis kleiner
- die Farbintensität entfernter Objekte verblasst
- parallele Linien laufen in der Ferne auf einen Fluchtpunkt zu.
Das gänzliche Fehlen oder der vollständige Verlust von räumlichem Sehen wird, insbesondere im angelsächsischen Sprachraum, auch Stereoblindheit genannt.
Ressourcen / Weiterlesen
- Zeit.de: Prof. Michael Bach über Räumliches Sehen
- Siehe dazu auch: Warum sieht man doppelt, wenn man betrunken ist?
- Wie funktioniert eine VR-Brille? (VR="Virtuelle Realität")
- Zum Hauptartikel: Aufbau des Auges