Was ist eine stenopäische Lücke (Blende)?
Im Jahr 1619 veröffentlichte der Optiker und Astronom Christoph Scheiner (1573−1650) sein Werk "Oculus" (lat. für Auge), in dem er unter anderen auch (als erster) das Prinzip der stenopäischen Blende beschrieb. Der Begriff "stenopäisch" bedeutet etwa so viel wie "enges Loch". Gemeint ist damit eine undurchsichtige Scheibe mit einem ca. 1-1,5 Millimeter großem Loch in der Mitte. So eine stenopäische Lücke bzw. Blende ist seither ein Hilfsmittel in der Augenheilkunde bzw. Augenoptik. Augenarzte verwenden dieses optische Instrument vor allem zur Beurteilung eines Refraktionsfehlers des Auges - also einer brechungsbasierten Fehlsichtigkeit (z.B. Kurzsichtigkeit oder Astigmatismus).
Wirkungsweise einer stenopäischen Lücke
Die stenopäische Lücke wirkt wie eine Lochblende. Sie reduziert die Wahrnehmung von störenden Randstrahlen (sphärische Aberration), verkleinert die Zerstreuungskreise auf der Netzhaut und erhöht damit die Schärfentiefe beim Sehen. Die Folge ist, dass Menschen mit einer nicht oder nur unzureichend korrigierten optischen Fehlsichtigkeit (Ametropie) beim Blick durch eine stenopäische Lücke schärfer sehen und die verminderte Sehschärfe als refraktionsbedingt betrachtet werden kann.
Liegen jedoch organische oder funktionale Ursachen für eine reduzierte Sehschärfe vor, beispielsweise eine Makuladegeneration, eine Amblyopie oder bei monokularer Diplopie, so wird auch die stenopäische Lücke in der Regel keine Verbesserung bringen.
Einsatz beim Augenarzt
Der Augenarzt oder Optiker kann also mit diesem Hilfsmittel relativ gut unterscheiden, ob es sich um eine (harmlose) brechungsbasierte Fehlsichtigkeit handelt, oder ob es sich um eine (bedenkliche) Augenerkrankung handelt.
- Falls also ein Patient mit unscharfem Seheindruck mithilfe einer stenopäischen Blende ein schärferes Bild sieht, so ist die Ursache brechungsbasiert (der dioptrische Apparat des Auges funktioniert also nicht optimal).
- Falls der Patient mit unscharfem Seheindruck jedoch durch die stenopäische Lücke keine Verbesserung des Seheindrucks erzielt, so sind weitere Folgeuntersuchungen ratsam.
Rasterbrille / Lochbrille
Das Prinzip der stenopischen Lücke wird auch bei sog. Rasterbrillen (Lochbrillen) verwendet. Das sind Brillen mit meist schwarzer Folie, in die einige Löcher eingestanzt sind. Die Loch-Muster unterscheiden sich dabei, ebenso die Qualität der Stanzung.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass man mit solchen Brillen - aufgrund des oben beschriebenen Prinzips - für einen begrenzten Zeitraum besser sehen kann (als temporärer Ersatz für die Brille oder Kontaktlinse). Es ist jedoch Unfug, dass man damit eine Fehlsichtigkeit "weg behandeln" könne. Brechungsbasierte Fehlsichtigkeiten sind in aller Regel angeboren und basieren auf gewachsenen Strukturen (Augapfel, ungleichmäßig gekrümmte Hornhaut etc.). Diese physiologische Bestimmung lässt sich nicht wegtrainieren.
Der Nachteil einer solchen Rasterbrille bzw. der stenopischen Lücke liegt auf der Hand: es kommt nur relativ wenig Lichtinformation ins Auge, der visuelle Eindruck ist also aufgrund geringer Helligkeit und des verringerten Gesichtsfeldes erheblich eingeschränkt.
Den Effekt einer stenopäischen Lücke kann man sich auf einfache Weise deutlich machen, indem Daumen, Zeige- und Mittelfinger so aneinanderlegt werden, dass zwischen ihnen eine kleine Öffnung bleibt, durch die man blickt. Bei abnehmender Öffnungsweite der gebildete Lücke wird das Bild schärfer und dunkler, nahe lichtstarke Objekte lassen sich so besser betrachten.
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