Die rosarote Google-Brille (Kurzgeschichte)

Die rosarote Brille

Die rosarote Brille

Neulich traf ich beim Flanieren einen alten Freund. Ich hatte ihn über die Jahre aus den Augen verloren hatte. Nach herzlicher Begrüßung fiel mein Blick auf seine Google Brille, die er auf der Nase trug. „Mit dem Ding hat man echt den Durchblick.“ verkündete er stolz. Mit leuchtenden Augen führte er mir die Möglichkeiten von Google Glass vor Augen. Mit den Worten: „Du solltest mal einen Blick riskieren!“ klemmte er mir das Gestell hinter die Ohren.

Ich sehe schwarz!“ Trotz bester Sicht hatte ich einen vernebelten Blick: vor meinem geistigen Auge tanzten Google-Mitarbeiter, die mit meinen Augen sahen. „Du siehst Gespenster.“ entgegnete mein Freund und setzte sich sein Glass wieder auf. „Ich sehe Zukunft, soweit das Auge reicht.„, schwadronierte er mit feuchten Augen. Aber schnell wurde er wieder Teil der Gegenwart.

Mein Blick fiel auf eine attraktiv bebrillte Blondine, die mir in die Augen sprang.  Sie aber machte leider nur meinem Kumpel schöne Augen, der ebenfalls schon längst einen Blick riskiert hatte. „Ok Glass, take a Video!“ murmelte er vor sich hin. Als ich die laufende Videoaufnahme bemerkte, fiel mir der Sinn dieser Brille wie Schuppen von den Augen. „Man darf das Wesentliche nicht aus dem Blick verlieren…“ murmelte er mir lapidar zu, und dann lauter zu ihr: „Wollen wir beide uns mal unter vier Augen … sprechen?“ Leider bemerkte der bebrillte Engel in diesem Augenblick die laufende Videoaufzeichnung und schlug ihm kurzerhand und völlig unerwartet fäustlinks mitten ins Gesicht. „Auge um Auge, Zahn und Zahn. Männer und Technik …“ keifte sie ihn kehrtwendend an.

Ich konnte mir gerade noch „Das passt ja wie Faust auf’s Auge“ verkneifen, während sich die Augenweide dünne machte. Mein Kumpel verdrückte sich die Tränen. Aus den Augen, aus dem Sinn… Stotternd nahm er die Unversehrtheit seiner Google-Brille in Augenschein: „Puh, das hätte ins Auge gehen können.

Holzauge, sei wachsam!“ hörten wir auf einmal von hinten. Ein Auge des Gesetzes schlenderte mit mürrischem Blick an uns vorbei. Private Überwachungssysteme waren ihm ein Dorn im Auge. „Keine Faxen bitte. Ich will noch mal ein Auge zudrücken, aber ich behalte Sie im Auge.“ Na, da war mein Kumpel gerade noch mal mit einem blauen Auge davongekommen.

Ich verabschiedete mich mit einem lachenden und einem weinende Auge. Es ist zwar schön, einen alten Freund zu sehen. Aber dieses Google Glass hat mir Sand in die Augen gestreut: man hat da ständig einen Blinden Passagier dabei. „Unter den Blinden ist der Einäugige König.„, dachte ich bei mir. Diese virtuelle Realität ist eh nur Augenwischerei. Durch Google Glass scheint die Welt zwar wie durch eine rosarote Brille, aber man sieht eh nur, was man sehen will. Da nützt die beste Brille nichts …

Hier eine Liste mit Redewendungen zum Thema Auge, Brille und Sehen :-)

Rosarote Brille - und mehr über die Google Brille

Rosarote Brille – und mehr über die Google Brille

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